computervermittelte Kommunikation

#ocwl11 – Einheit 5: Alles auf Anfang

Im OpenCourse Workplace Learning 2011 wurde gestern die fünfte Kurseinheit (Sozialpsychologische Aspekte von computermediierter Kommunikation) mit einer Online-Session abgeschlossen. Für mich, als eine der Kurspatinnen, hieß das zunächst alte Unterlagen hervorkramen und zu rekapitulieren worum es eigentlich geht. Andrea Brücken, die andere Patin dieser Lerneinheit, nutzte die „stade Zeit“ für die Planung einer Online-Session, die über ununi.tv live im Internet verfolgt, kommentiert und mit Beiträgen ergänzt werden konnte. Das Protokoll der Beiträge aus dem Twitterchat kann hier heruntergeladen werden.

Was ist an der computermediierten Kommunikation so besonders?

Zu den einflussreichsten Theorien zur Medienkommunikation zählt die Social Presence Theory (Short, Williams, Christie, 1976). Die Social Presence Theory wurde nicht speziell für die computervermittelte Kommunikation entwickelt sondern befasst sich mit zwischenmenschlichen Beziehungen im Zusammenhang mit Telefon-, Audio- und Videokonferenzen. Ein wesentlicher Aspekt der von den Autoren untersucht wurde, war das Gefühl der sozialen Anwesenheit (Social Presence) anderer Personen bei einer lediglich durch Medien unterstützten Kommunikation. In der Social Presence Theory ist die soziale Präsenz als eine Eigenschaft des jeweiligen Mediums definiert, nicht als Eigenschaft der Personen, die das Medium nutzen. Das Gefühl der sozialen Präsenz ist nach Short et al abhängig von der Anzahl der Kanäle über die das jeweilige Medium verfügt.

Die Anzahl der Kommunikationskanäle kann die Kommunikationsziele beeinträchtigen
Im Vergleich zur natürlichen Gesprächssituation (FtF-Kommunikation) fehlen uns bei der computermediierten Kommunikation (cmK) oft wesentliche Hinweise, wie beispielsweise Mimik, Gestik und Veränderungen der Tonlage. Es kann deshalb schneller zu Missverständnissen kommen und zwar umso eher, je weniger Kanäle uns zur Verfügung stehen. Steht uns, wie bei E-Mail, EtherPad, Twitter und Foren nur ein Kanal, nämlich der Text, zur Verfügung, kommt es aber nicht nur leichter zu Missverständnissen, sondern es sinkt auch die Wahrnehmung der sozialen Präsenz. Weil wir uns der Anwesenheit der anderen Personen weniger bewusst sind, als in der natürlichen Kommunikation, kann der Ton unpersönlicher werden, die Verbindlichkeit abnehmen und die Verfolgung gemeinsamer Ziele erschwert werden.

Taugt computermediierte Kommunikation (cmK) dann überhaupt in formalen Lernsituationen?

Im Rahmen unserer Online-Session wurden neben den allgemeinen Vor- und Nachteilen der cmK auch spezielle Probleme aus dem laufenden Kurs angesprochen:

Welche Probleme gibt oder gab es?

„Aller Anfang ist schwer!“, umschreibt es treffend, wenn auch trivial. Nach einem fulminanten Auftakt wurde es sehr ruhig. Die Studierenden bloggten und twitterten nicht in dem Maße, wie es die Onliner (Paten und externe Teilnehmer des #ocwl11) erwartet hatten. Die Diskussionen auf Twitter wurden daraufhin hitzig, zu hitzig für meinen Geschmack. Es gab ein Unbehagen und das Gefühl: „Die Studierenden wollen nicht mit uns arbeiten.“ Die Reise der Patin Monika E. König brachte etwas Klarheit:

Mit großer Überraschung habe ich vernommen, dass wir als überragende Experten wahrgenommen werden. Also solche, denen man eigentlich nichts mehr präsentieren könne, was sie nicht schon ohnehin wüssten.

Es stellte sich heraus, dass die Studierenden die sozialen Medien weit weniger nutzen als die Onliner vermutet hatten. Missverständnisse und falsche Vorstellungen auf beiden Seiten waren kennzeichnend für diese Phase. Bringt man diese Startschwierigkeiten in Zusammenhang mit der oben angesprochenen Social Presence Theory finde ich zwei Punkte wesentlich:

  • Die Kommunikationspartner, in diesem Fall die Studierenden und die Onliner, kannten sich nicht.
  • Ein Teil der Kommunikationspartner, in diesem Fall die Studierenden, hatten keine sehr hohe Medienkompetenz.

Interessant finde ich diese beiden Aspekte deshalb, weil es sich um zwei wesentliche Argumente der Kritiker der Social Presence Theory handelt: Weil sich die Teilnehmer bei den Untersuchungen von Short, Williams & Christie nicht kannten und weil sie über keine hohe Medienkompetenz verfügten, seien die Ergebnisse nicht auf andere Situationen übertragbar. Ich frage mich, ob man umgekehrt davon ausgehen kann, dass unter den genannten Bedingungen grundsätzlich eher mit Problemen in der Kommunikation gerechnet werden muss.

Heute, im Rückblick, wird die Beschäftigung mit den Medien teils als Herausforderung und Ansporn betrachtet, teilweise aber auch als Störung, weil es dem eigenen Lernstil nicht entspricht. Letzteres führte in der Online-Session zu der Frage, ob die computermediierte Kommunikation unter Umständen im Kontext des universitären Lernens ungeeignet sei? Ganz und gar nicht, denke ich, und möchte dies mit einem Zitat von Kerres begründen:

Mediale Lernangebote können dazu beitragen, Bildungsprozesse anzuregen, wenn die situativen Bedingungen der Lernumgebung dies ermöglichen: Es ist damit die Situation, die den Wert des Mediums bestimmt, und nicht das Medium und ganz sicher nicht das Mediensystem.
(Kerres, Multimediale und telemediale Lernumgebungen, 2001)

Aus meiner Sicht wäre es hilfreich, die Lernsituation zu analysieren. Beispielsweise mit folgenden Fragen:

  • Welche Bildungsprozesse sollen angeregt werden?
  • Welche Akteure arbeiten mit welchen Zielen zusammen und wie können gemeinsame Ziele definiert werden?
  • Welche Vorkenntnisse (fachliche Kenntnisse, Medienkompetenz) sind erforderlich um die gemeinsamen Ziele zu erreichen?
  • Welche Hindernisse ergeben sich aus der formalen Lernsituation der Studierenden?
  • Und nicht zuletzt: Wie kann die Entstehung eines Gruppengefühls bei sehr heterogenen Zielgruppen unterstützt werden?

Andrea Brücken hat dazu in ihrem Blogbeitrag ebenfalls schon einige Fragen und Gedanken formuliert. Johannes Moskaliuk, der Veranstalter des OpenCourse Workplace Learning 2011, geht noch weiter und ruft zum Showdown auf. Für mich heißt das, alles deutet eher auf einen Anfang als auf ein Ende hin. Die Diskussion wird fortgesetzt und es bleibt spannend.

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